Historisches, schlecht entwickeltes oder unbekanntes Negativmaterial mit ColorNeg umwandeln
Die in ColorPerfects Modus ColorNeg bzw. dem alten ColorNeg Plug-in integrierten Charakterisierungen der Filmtypen decken einen großen Teil des Farbnegativmaterials der letzten Jahre unter den standardisierten Entwicklungsbedingungen des Prozesses C41 ab. Seit Version 1.02 verfügte ColorNeg mit der überarbeiteten Funktion Filmdaten über ein hervorragendes Werkzeug zur Charakterisierung unbekannten Filmmaterials. Dabei kann es sich um historische Farbnegative handeln, aber auch um den zuweilen auftretenden Film, der entweder aus gutem Grund anders entwickelt wurde oder aber bei dessen Entwicklung etwas unerklärlich schief gegangen ist.
In ColorPerfect wurde die Funktion Filmdaten schließlich zum erneut verbesserten FilmTyp/SubTyp/FilmGamma Kalibrierungssystem weiterentwickelt. Dieses System ist der ursprünglichen Filmdatenfunktion ähnlich, jedoch mit ihr nicht identisch. Die ersten beiden Beispielnegative auf dieser Seite wurden nocht mit dem alten ColorNeg Plug-in bearbeitet. Gleich gute oder bezüglich der Bildqualität sogar eher noch bessere Ergebnisse lassen sich mit ColorPerfect erzielen. Dabei gelten die gleichen Prinzipien und wir haben daher den ersten Teil dieser Seite größtenteils beibehalten.
Ein Extrembeispiel aus den frühen 1970er Jahren - Bearbeitet mit ColorNeg
Im Folgenden sollen die Möglichkeiten und Grenzen des Filmdatenwerkzeugs anhand eines extremen Beispiels gezeigt werden. Unten ist der lineare Scan eines Negativs aus den frühen 1970er Jahren abgebildet. Zu dieser Zeit hatten empfindliche Farbnegativfilme eine Nennempfindlichkeit von 64 ASA und Negative auf solchem Material waren recht flau und schwierig zu verarbeiten. Eine Möglichkeit mit der damals im Farbnegativbereich extremen Empfindlichkeit von 400 ASA zu arbeiten, bestand darin den Diafilm Kodak High-Speed Ektachrome um etwa 1,5 Lichtwerte unterzubelichten und anschließend forciert als Negativ zu entwickeln. Da es sich bei unserem Beispiel um eine Available-Light-Aufnahme im Innenraum handelt, ist zusätzlich anzumerken, dass Kodak High-Speed Ektachrome ein Tageslichtfilm war. Da es sich um Diafilm handelt, ist die sonst für Farbnegative typische orangefarbene Maske nicht vorhanden.
Wie bereits für aktuelle Negativfilme gezeigt, ist die in Photoshop integrierte Funktion Bild > Anpassen > Umkehren nicht zur naturgetreuen Umwandlung von Farbnegativen geeignet. Der Versuch einer Umwandlung auf diesem Weg, weist auch nach Korrektur eines Farbstichs der Lichter noch extreme Farbprobleme auf, die nicht korrigiert werden können.
Mit ColorNeg können selbst aus solchen Negativen akzeptable Positivbilder erzeugt werden.
Die Qualität heutiger Materialien ist natürlich wesentlich höher als die der Damaligen. Dennoch ist die Farbtreue der Umwandlung unter Berücksichtigung des Ausgangsmaterials bemerkenswert. ColorNeg reizt die Möglichkeiten des Materials voll aus. Durch die weiteren Bearbeitungsmöglichkeiten in Photoshop ist das so erzeugte Bild einem Farbabzug des gleichen Negativs auf modernem Color-Fotopapier überlegen.
Anleitung zur Verwendung der Funktion Filmdaten des ursprünglichen ColorNeg Plug-ins
Um das Filmmaterial eines Farbnegativs unbekannten Typs zu charakterisieren, wählen Sie die Filmdaten- Funktion aus und klicken Sie zunächst auf einen beliebigen grauen Bereich im Bild. In den meisten Fällen führen hellere Grauwerte zu den besten Ergebnissen mit dem Filmdatenwerkzeug. Im gezeigten Beispiel trägt eine der Tänzerinnen ein hellgraues Kostüm, das als Referenz verwendet werden kann. Ebenso geeignet wären die weißen Hemden der Herren im Chor.
Die anfängliche Einstellung der Farbbalance per Klick ist zwingend erforderlich. Suchen Sie nun nach der Position auf dem Scroll-Balken, an der die Farben des gesamten Bildes am natürlichsten erscheinen. Beachten Sie, dass der optimale Punkt irgendwo auf dem Scroll-Balken liegen kann. Sie sollten also in jedem Fall den gesamten Wertebereich durchgehen. Für das gezeigte Beispiel liegt der natürlichste Bereich um Filmtyp 350.
Wenn Sie der Meinung sind, den optimalen Bereich gefunden zu haben, können Sie die vorgenommene Charakterisierung testen. Das Anklicken von hellen, mittleren und dunklen grauen Bereichen sollte nicht zu signifikanten Farbänderungen führen. Leichte Änderungen sind normal, da die ausgewählten grauen Bereiche in der Regel leicht in Richtung verschiedener Farben tendieren.
Die angezeigte Filmtypnummer kann für andere Negative erneut eingestellt werden. Um die Charakterisierung zu überprüfen, sollten Sie sie für mehrere Negative des gleichen Films testen. Bei Auswahl der Funktion Filmdaten wird automatisch die Liste benutzerdefinierter Filme aufgerufen. Für gut befundene Charakterisierungen können hier jederzeit, wie im Handbuch beschrieben, unter der aktuellen oder einer neuen Bezeichnung abgelegt werden.
Nachdem das Filmmaterial charakterisiert wurde, können wie gewohnt die Einstellungen für Helligkeit, Schatten und CC-Filterwerte vorgenommen werden.
Ein weiteres Beispiel: Bearbeitung eines Testnegativs von 1974 auf Kodak Ektacolor S mit ColorNeg
Aufgrund der positiven Rückmeldungen bezüglich des obigen Artikels, habe ich mich entschieden, ein weiteres Bespiel für Sie hinzuzufügen. Wenn Sie möchten, können Sie das im Folgenden verwendete Bildmaterial zunächst vorladen. Da viele Leser noch nicht mit ColorNeg vertraut sein dürften, werde ich auch kurz auf einige wichtige Aspekte eingehen, die nicht direkt mit der Filmdatenfunktion zusammenhängen.
Rechts sehen Sie den linearen Scan eines 51 Jahre alten Testnegativs. Ein solcher linearer Scan sieht in Photoshop zunächst fast immer sehr dunkel aus, was völlig normal ist. Die lineare Tiff-Datei enthält, anders als das JPEG auf dieser Webseite, dennoch alle Details, die beim Scannen aufgezeichnet wurden. ColorNeg übernimmt nachfolgend die Encodierung des Bildmaterials gemäß der Tonwertreproduktionskurve des von Ihnen gewählten Arbeitsfarbraums, sodass das fertige Positivbild normal aussieht. Dies geschieht nachdem Sie die entsprechende Einstellung für Gamma C getroffen haben. Um zu lernen, wie mit Ihrem Scanner lineare Scans erzeugt werden können, besuchen Sie die umfangreichen Scananleitungen dieser Webseite. Die gezeigte lineare Datei entspricht dem Datenformat, das Ihr Scanner sowieso zunächst erzeugt, dass diese so dunkel aussieht, ist nur eine Sache der Interpretation dieser Daten durch Photoshop.
Schauen wir uns eine weitere Version desselben Negativs an, die gammacodiert und bezüglich ihrer Farbbalance angepasst wurde, um zu illustrieren, dass tatsächlich alle benötigten Daten in unserem linearen Scan enthalten sind. Die Erstellung eines solchen angepassten Bildes ist weder nötig noch zulässig, wenn das abgebildete Negativ mit ColorNeg weiterverarbeitet werden sollen. All das passiert automatisch. ColorPerfects Modus ColorNeg ermöglicht zwar inzwischen die direkte Weiterverarbeitung gammacodierten Bildmaterials, Sie sollten dieses Feature aber nur dann einsetzen, wenn Ihre Scannersoftware Ihnen keine andere Wahl lässt. Wo dies der Fall ist, ist in den Scananleitungen dokumentiert. Unter Verwendung spezieller Hardwareeigenschaften, die es ermöglichen die Helligkeit oder Abtastungsdauer für einzelne Farbkanäle einzustellen, wäre es uns mit manchen Scannern auch möglich, die orangefarbene Maske des Negativs bereits beim Scannen zu reduzieren und dabei den Detaillierungsgrad der Abtastung zu steigern. Der resultierende lineare Scan wird von ColorNeg genauso gut weiterverarbeitet wie der zuerst gezeigte Orangemaskierte. Nur wenn Sie bestimmte ältere Scanner verwenden, wird die Verwendung solcher unmaskierter Scans zu merklich besseren Ergebnissen führen.
Bevor wir beginnen, lassen Sie uns noch einmal betrachten, was Photoshops Funktion Bild > Anpassen > Umkehren bei Anwendung auf das entsprechend vorbereitete Bildmaterial bewirken würde, das wir zwischen den beiden linearen Scans betrachtet haben. Wie erwartet, enthält auch diese so erzeugte Version signifikante, nicht korrigierbare Farbstörungen, wie wir sie bereits zuvor gesehen haben.
Für den Film Kodak Ektacolor S ist keine allgemeine Charakterisierung in ColorNeg integriert. Um unser Negativmaterial zu charakterisieren, müssen wir daher zunächst erneut ColorNegs Filmdatenfunktion verwenden. Der Filmtyp, den ich auf diesem Weg ermittelt habe, ist nicht in ColorNeg enthalten, da ein Einzelbild wie das Vorliegende einfach nicht repräsentativ genug ist. Wir können nicht überprüfen, ob davon ausgegangen werden kann, dass die mit der Filmdatenfunktion gefundenen Werte für eine Mehrheit der Bilder auf diesem Filmmaterial zutreffen oder nicht. Für das vorliegende Bild lässt sich jedoch recht schnell eine gut funktionierende Charakterisierung ermitteln.
ColorNeg erlaubt es einzelne Regionen eines Negativs während der Umwandlung verschieden zu behandeln. Dazu werden in Photoshop getroffene Selektionen mit weicher Auswahlkante verwendet. Wir könnten diese fortgeschrittene Technik z. B. nutzen, um die Helligkeit des Fells getrennt von der des restlichen Bildes anzupassen, sodass seine Details deutlicher zur Geltung kommen als zuvor.
Hin und wieder werden mir Fragen bezüglich der Farbe der Beispielbilder gestellt, insbesondere bezüglich der Farbe der Hauttöne. Es ist fast unmöglich die exakt gleiche Farbdarstellung aus Photoshop auf eine Webseite zu übertragen. Wenn Sie finden, dass das Bild noch einen Farbstich in die eine oder andere Richtung aufweist, sei Ihnen versichert, dass ColorNegs CC- oder Farbkompensationsfiltersystem perfekt geeignet ist, um jede Farbbalance herzustellen, die Sie für korrekt halten.
Wenn Sie mit einem linearen Scan arbeiten und die Bildquelle, also hier den Negativfilm geeignet charakterisiert haben, sind alle verbleibenden Farbstiche beherrschbar. Um dies zu illustrieren, lassen Sie mich Ihnen sechs weitere Versionen unseres finalen Positivbildes zeigen. Jede dieser Fassungen wurde aus diesem finalen Bild und einer CC-Filteranpassung der Stärke 2 in unterschiedlicher Richtung erzeugt. Die Anpassungen sind feinstufig, aber die Farbänderungen sind sichtbar. In ColorNeg können CC-Anpassungen ab einer Stärke von +/- 0,1 durchgeführt werden.
Hier sind die CC-angepassten Bilder: Klicken Sie auf die folgenden Links, um das Bild röter, cyanfarbener, grüner, magentafarbener, blauer oder gelber zu machen. Diese Anpassungen können auch in umgekehrter Logik betrachtet werden, also als: weniger cyanfarben, weniger rot, weniger magentafarben, weniger grün, weniger gelb und weniger blau. Was vielen von uns leichter fällt, wenn Farbstiche entfernt werde sollen. In ColorNeg können daher relative CC-Anpassungen für alle sechs Primärfarben (RGB/CMY) eingegeben werden, wobei z. B. -2Y und +2B den identischen Effekt haben. Gelb ist stets mit dem internationalen Kürzel Y (für das englische Wort "yellow") belegt, da G mit Grün schon seine feste Zuordnung hat. Bitte verwenden Sie stets die obige finale Version des Positivbildes als Referenz, da alle hier angegebenen Farbwerte relativ zu dieser Fassung notiert wurden. In ColorNeg können sie beliebige Kombinationen von Farbfiltern verwenden und werden so schnell das ideale Filterpack zum Herstellen der Farbbalance finden.
Drittes Beispiel: Umwandlung eines Negativs von 1981 auf ORWO Color Filmmaterial aus der DDR
Vor einiger Zeit erhielt ich von einer Familienseite eine Schachtel Schwarzweißnegative. In dieser befanden sich auch ca. 50 Farbdias unter denen eine Handvoll Farbnegative in orangenen Diarähmchen war. Aufgrund des abgebildeten Ereignisses ließen sich diese Negative präzise auf das Jahr 1981 datieren.
Etwa 30 Jahre scheint für ein Farbfoto kein besonders hohes Alter zu sein. Doch da in der DDR im Amateurbereich die Schwarzweißfotografie länger eine dominierende Stellung innehatte als in Westeuropa, ist dieses Bild tatsächlich eines der ältesten Farbnegative dieser Familienseite, das mir bekannt ist. Da keine der in ColorPerfect integrierten Negativfilmcharakterisierungen zu diesem Filmmaterial passt, schien das Bild eine gute Ergänzung für diese Beispielseite zu sein. Wenn Sie möchten, können Sie das im Folgenden verwendete Bildmaterial zunächst vorladen.
Unten sehen Sie einen linearen Scan des Negativs. Seine orangefarbene Maske wurde durch Verwendung geeigneter Analogverstärkungseinstellungen bereits während des Scanvorgangs teilweise ausgeglichen. Obgleich wir bereits gesehen haben, dass dies zwecklos ist, lassen Sie uns zunächst versuchen, die orangefarbene Maske vollständig zu entfernen, den Scan mit geeigneter Gammacodierung zu versehen und ihn in Photoshop mit dem Befehl Bild > Umkehren zu invertieren. Wie erwartet, funktioniert dies nicht. Mit ColorPerfect kann leicht eine deutlich bessere Negativumwandlung erzielt werden und diese kann zu einem schönen Positivbild ausgearbeitet werden.
Nachdem wir versucht haben einige der in ColorPerfects Modus ColorNeg integrierten Charakterisierungen auf das Negativ anzuwenden, wird klar, dass keine davon auf das vorliegende Negativ anwendbar ist. Charakteristisch für diesen Sachverhalt ist, dass ein Einstellen der Farbbalance mittels Grauklick auf die weiße Bluse fehlschlägt. Ein Grauklick auf einen dunkleren Teil der Bluse führt zu einer signifikanten Farbverschiebung und zu deutlichen Helligkeitsveränderungen. Solche Effekte sind typisch für eine fehlerhafte Charakterisierung der Bildquelle bzw. des Filmmaterials.
Mit Hilfe des FilmTyp/SubTyp/FilmGamma Kalibrierungssystems in ColorPerfect kann eine geeignete Charakterisierung für unbekanntes Filmmaterial wie dieses gefunden werden. Dazu wird ein Bereich mittlerer Helligkeit auf der weißen Bluse oder vielleicht der Asphalt der Straße außerhalb des Gartens zum Einstellen der Farbbalance mittels Grauklick genutzt. Anschließend wird der gesamte Wertebereich der Einstellung FilmTyp mit dem Scrollbalken abgefahren, um die Einstellung mit dem augenscheinlich natürlichsten Ergebnis zu finden. Nun wird in den Modus SubTyp gewechselt und erneut die bestmögliche Einstellung gesucht. Es kann hilfreich sein, während dieser Suche die Sättigung auf ein künstlich hohes Niveau zu setzten, da so feinere Farbveränderungen deutlich ins Auge fallen. Es empfiehlt sich, mehrmals zwischen FilmTyp und SubTyp zu wechseln und die Charakterisierung so fein einzustellen. Nachdem wir die Sättigung auf ihren Anfangswert 100 zurückgesetzt haben, ist ein Positivbild mit Farbintegrität hergestellt, das wir nun weiter ausgestalten können.
Wir könnten das Negativ, wie gezeigt, auf eine Weise invertieren, die sämtliche Details der weißen Bluse erhält. Die generelle Erscheinung des resultierenden Positivbildes ist jedoch zu dunkel für eine sonnenbeleuchtete Szene. Warum dies so ist, wird im Detail in unserem Artikel über die Kompression der Lichter in Negativumwandlungen erläutert. Um dies zu beheben, können wir etwas mehr Schwarz aus unserem Bild entfernen. Einige Bereiche der Bluse würden dabei in die Überbelichtung fallen, was durch eine unseren Wünschen entsprechende Einstellung der Kompression der Lichter ausgeglichen werden kann. Nachfolgend können wir noch etwas Weiß aus dem Bild entfernen, was wir uns auch als das Entfernen von Dunst oder Nebel aus einer Szene vorstellen können. Da wir keine zugelaufenen Schattenpartien wünschen, aktivieren wir zusätzlich die Komprimierung der Tiefen. Als finale Schritte könnten wir eine schwache Zonenkurve definieren und die Sättigung auf ein Niveau anheben, das uns gefällt. Der Vergleich dieses fertigen Bildes mit der zuvor gezeigten anfänglichen Umwandlung ist zudem eine gute Demonstration der Möglichkeiten mit ColorPerfect bei der Bearbeitung von Positivbildern mit Farbintegrität.
Wenn Sie das gezeigte finale Bild nicht mögen, hätten Sie durch die Wahl anderer Werte einfach eine alternative Fassung erzeugen können, die mehr Ihren Vorstellungen entspricht. Anzumerken ist zudem, dass dieses Beispiel als erster Umwandlungsversuch eines Negativs auf einem unbekannten Filmtyp entstanden ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Charakterisierung bei der Abstimmung auf mehrere Negative des gleichen Films weiter verbessert werden könnte. Wenn Sie diese Beispielseite interessant fanden, laden wir Sie ein, die interaktiven Features dieser Webseite, die sich über dem Haupttext des Artikels befinden, zu nutzen, um Ihre Kollegen und Fotofreunde auf diesen Artikel hinzuweisen.